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Strategie "Widerstehen"

Die Strategie des Widerstehens zielt darauf ab, dass kein Wasser in das Gebäude eindringen kann und es ein Hochwasser ohne Gebäudeschäden überstehen kann. Diese Strategie ist meist nur bei Neubauten möglich und kann zu sehr hohen Kosten führen, was sie im Hinblick auf eine Nutzen-Kosten-Analyse nur beschränkt umsetzbar macht. 

Voraussetzung für die Anwendung der Strategie des Ausweichens ist die ausreichende Standsicherheit des Gebäudes. Daher muss durch den Tragwerksplaner eine statische Überprüfung der Auftriebssicherheit durchführt werden. Ist die Auftriebssicherheit bei den zu berücksichtigenden Wasserständen nicht gegeben, so muss vor allem die Gründungssohle gegen Aufschwimmen oder Aufbrechen gesichert werden. Zudem müssen einzelne Gebäudeteile wie zum Beispiel Böden und Wände so bemessen sein, dass sie bei Hochwasser dem erhöhten Wasserdruck standhalten. Um sicherzugehen, dass die statischen Randbedingungen für die Anwendung der Strategie des Widerstehens vorliegen bzw. geschaffen werden können, wird empfohlen einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen, der mit der Hochwassergefährdung am Standort vertraut ist.

Beim Widerstehen können die zwei Schutzmaßnahmen Abschottung und Abschirmung unterschieden werden. Während die Abschottung von Gebäuden unmittelbar an den Öffnungen des Gebäudes ansetzt, werden Maßnahmen zur Abschirmung in einem entsprechend der Gegebenheiten der Örtlichkeit gewählten Abstand installiert.

Maßnahmen zur Abschirmung gegen Oberflächenwasser

Stationäre Hochwasserschutzanlagen wie z.B. Deiche, Erdwälle oder Mauern führen zu einer Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung sowie zu einem dauerhaften Eingriff in das Stadt- oder Landschaftsbild und können sogar ein verkehrstechnisches Hindernis darstellen. Aufgrund ihrer hohen Investitionskosten werden stationäre Hochwasserschutzanlagen überwiegend im öffentlichen oder betrieblichen Hochwasserschutz eingesetzt. Im privaten Bereich bietet sich eher die Umschließung des Gebäudes mit Mauern oder kleinen Erdwällen an. Als preiswerte Alternative können bei geringen Wasserständen auch Sandsackdämme aufgebaut werden.

Als teilmobile Hochwasserschutzanlagen werden Verbundkonstruktionen bezeichnet, z. B. die Kombination aus einem mobilen Dammbalkensystem und einem ortsfesten Fundament. Im Vergleich dazu handelt es sich bei mobilen Hochwasserschutzwänden in der Regel um transportable Dammbalken, die aufgrund der Statik nur bis zu einer Höhe von ca. 2,5 Metern in die dazugehörigen Haltekonstruktionen eingebaut werden sollten. Die mobilen Hochwasserschutzwände müssen aufbaubereit gelagert und deren Aufbau regelmäßig geübt werden, damit im Hochwasserfall das System uneingeschränkt funktionsfähig ist. Der Aufbau mobiler Hochwasserschutzanlagen erfordert ausreichende Vorwarnzeiten und kontinuierliche finanzielle Aufwendungen zur Lagerung und Instandhaltung. Die Abschirmung gegen Oberflächenwasser ist nur dann sinnvoll, wenn auch ein ausreichender Schutz des Gebäudes gegenüber eindringendem Grundwasser und Rückstauwasser aus der Kanalisation hergestellt werden kann.

Maßnahmen zur Abschottung gegen Grundwasser

Maßnahmen zur Abschottung gegen Grundwasser setzen direkt am Gebäude an. Um das Gebäude vor eindringendem Grundwasser abzuschotten, können Untergrundabdichtungssysteme in Verbindung mit einem Drainagesystem (ggf. mit Pumpen) verwendet werden. Es können zwei Abdichtungskonzepte zum Schutz vor eindringendem Grundwasser unterschieden werden: Zum einen Konzepte mit gesonderter Flächenabdichtung auf den Außenflächen einer Rohbaukonstruktion (Schwarze Wanne), zum anderen kann die Abdichtung gegenüber Grundwasser in Form einer Rohbaukonstruktion, die zusätzlich zur tragenden Funktion auch Aufgaben der Abdichtung übernimmt (Weiße Wanne), verwirklicht werden.

 

"Schwarze Wanne" Außendichtung
"Schwarze Wanne" Außendichtung [Quelle: Hochwasserschutzfibel, BMVBS 2010/2013]
"Schwarze Wanne" Innendichtung
"Schwarze Wanne" Innendichtung [Quelle: Hochwasserschutzfibel, BMVBS 2010/2013]
"Weiße Wanne"
"Weiße Wanne" [Quelle: Hochwasserschutzfibel, BMVBS 2010/2013]

Schwarze Wannen sind systematische Konstruktionen aus Außenwänden und Bodenplatten, die an Ihrer Außenseite eine vollständige Flächenabdichtung aufweisen, welche drückendem Wasser widerstehen kann. Zur Auswahl geeigneter bahnenförmiger Bauwerksabdichtungen gegen von außen drückendes Wasser werden die folgenden Parameter  herangezogen:

  • Auswahl geeigneter Abdichtungsmaterialien für den zu betrachtenden Lastfall wie z.B. Bitumenbahnen, Bitumen-Schweißbahnen bzw. Kunststoff- und Elastomerbahnen,
  • Festlegung einer hinreichenden Anzahl und einer Mindestdicke für die Abdichtungslagen sowie
  • Festlegung eines geeigneten Einbauverfahrens für die Abdichtung.

Als Weiße Wanne werden systematisch gefugte Bodenplatten und Außenwände aus Stahlbeton bezeichnet, die als wasserundurchlässige Bauteile ausgeführt werden. Die wesentlichen Parameter für eine qualitätsgerechte wasserundurchlässige Konstruktion lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • besondere Anforderungen an Beton im Hinblick auf seine Festigkeitsklasse, Expositionsklasse, Rezeptur, Konsistenz und Verarbeitung, welche zusammen den Wassereindringwiderstand erhöhen,
  • die Einhaltung von Mindestdicken für Wände und Bodenplatten,
  • die zielgerichtete Planung der Bewehrung für nachhaltig rissarme bzw. rissfreie Stahlbetonbaueile, welche auf diese Weise den Wassereintritt erschweren sowie
  • die systematische Planung und Durchführung fachgerechter Konstruktionen für Fugen und Durchdringungen.

Die Installation einer Schwarzen Wanne in einem Bestandsgebäude ist grundsätzlich möglich. Im Vergleich zur Weißen Wanne sind die bautechnischen Eingriffe von geringerer Intensität. Allerdings wird die Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahme aufgrund der notwendigen umfangreichen Bauleistungen insbesondere im Bereich der horizontalen Abdichtungsflächen, am Anschluss zu Streifen- und Punktfundamenten sowie im Übergangsbereich zwischen vertikalen und horizontalen Abdichtungsflächen in der Baupraxis häufig negativ zu beurteilen sein. Die nachträgliche Ausführung einer Weißen Wanne bei Bestandsgebäuden spielt aus wirtschaftlichen Gründen in der Praxis keine Rolle.

Maßnahmen zur Abschottung gegen Rückstauwasser aus der Kanalisation

Hochwasser bewirkt in der Regel einen steigenden Wasserspiegel in der Kanalisation. Dies ist entweder auf eine Überlastung des Kanalnetzes durch große Regenmengen oder auf einen Rückstau aufgrund des hohen Wasserstands im Vorfluter zurückzuführen. Wenn im Gebäude keine Sicherungseinrichtungen wie z.B. Rückstauklappen, Absperrschieber oder Abwasserhebeanlagen installiert wurden, so staut sich das Wasser durch die Abflussleitungen und Hausanschlüsse bis ins Gebäudeinnere zurück. Dies ist der Fall, sobald das Wasser über die Rückstauebene hinaus ansteigt. Die Rückstauebene ist definiert als Niveau des maximal möglichen Wasserspiegels im Kanalnetz bei Rückstauereignissen in nicht hochwassergefährdeten Gebieten und wird von der örtlichen Behörde festgelegt. In der Regel entspricht die Rückstauebene der Höhe der Straßenoberkante an der Anschlussstelle. Jedoch ist in hochwassergefährdeten Gebieten nicht die Rückstauebene, sondern der Hochwasserstand für einen Rückstau in der Kanalisation entscheidend, da der Wasserspiegel im Kanalnetz bis zum Hochwasserstand ansteigen kann.

Rückstauverschlüsse und Abwasserhebeanlagen verhindern das Eindringen von Wasser durch das Abwassersystem. Bei einer Hebeanlage wird das Abwasser mithilfe von Pumpen über die Rückstauebene hinaus angehoben und fließt dann von dieser Höhe in die ableitende Sammelleitung. Im Vergleich dazu unterbrechen Rückstauverschlüsse den Durchfluss in rückstaugefährdete Abwasserleitungen durch Klappen, Absperrschieber oder Quetschventile. Bei Neubauten sind Rückstauverschlüsse mittlerweile grundsätzlich zu berücksichtigen, während bei Bestandsgebäuden ein nachträglicher Einbau einen erhöhten Aufwand nach sich zieht. Rückstausicherungen müssen regelmäßig gewartet werden, um deren Funktionsfähigkeit dauerhaft zu gewährleisten.

Rückstauklappe
Nachträglich eingebaute Rückstauklappe in einem Altbau am Rhein [Quelle: Uniwasser GmbH / MKUEM]

Maßnahmen zur Abschottung gegen Oberflächenwasser

Wenn das Gebäude ausreichend vor eindringendem Grundwasser und Rückstauwasser geschützt ist, sollten weiterhin Türen und Fenster als potenzielle Eindringpfade abgeschottet werden. Die Sicherungsmöglichkeiten von Fenstern und Türen reichen von einfachen Eigenkonstruktionen bis hin zu komplexen und zum Teil sogar automatisch arbeitenden Systemen, die vielfältig am Markt angeboten werden. Die Randbedingungen für die Installation von Eigenkonstruktionen oder kommerziellen Systemen sind abhängig von der geometrischen Abmessung der abzuschottenden Öffnung, den Befestigungsmöglichkeiten am Gebäude und der Einstauhöhe bei Hochwasser bzw. der hydrostatischen und hydrodynamischen Wirkung auf das Gebäude.

Werden bei Hochwasser nur geringe Belastungen des Gebäudes erwartet, so können Sandsäcke einen ausreichenden Schutz bieten. Alternativ können zum Schutz vor eindringendem Oberflächenwasser auch Holz-, Kunststoff- oder Stahlplatten (z.B. Schaltafeln) mit Schrauben an den Wänden vor den Öffnungen befestigt werden. Dabei empfiehlt es sich eine Dichtung aus Kunststofffolie oder Moosgummi zwischen der Wand und der Platte einzubauen. Die Dichtung kann auch mit aufgespritztem Silikon erfolgen, wobei schwer zu entfernende Silikonspuren auf den Wänden zurückbleiben können.

Zur Abschottung von Fenstern und Türen lassen sich zwei kommerzielle Systeme unterscheiden. Zum einen gibt es Systeme, die permanent vor Ort eingebaut werden und zum anderen können Systeme genutzt werden, bei denen die Hauptbestandteile nur im Hochwasserfall installiert werden und lediglich die für den Einbau im Hochwasserfall erforderlichen Bestandteile stationär an den zu schützenden Öffnungen eingebaut werden. 

Unter den vor Ort eingebauten Systemen werden in der Regel Torsysteme vor Türen, Toren oder Fenstern verstanden, die im Hochwasserfall seitlich zugeklappt, heruntergefahren oder zugeschoben werden können. Der druckwasserdichte Verschluss des Torsystems ist erforderlich für die Funktionsfähigkeit. Der Auf- und Abbau dieser Systeme erfolgt entweder von Hand oder maschinell. Als Materialien kommen feuerverzinkter Stahl, Aluminium oder in selteneren Fällen Kunststoff oder Verbundglas zum Einsatz. Optimal sind vor Ort eingebaute Systeme, die pegelgesteuert automatisch arbeiten, indem sie sich selbst bei einem festgelegten für das Gebäude kritischen Hochwasserstand verschließen.

Die zweite Gruppe der kommerziellen Systeme bilden Dammbalken bzw. Dammbalkensysteme. Dabei werden die Dammbalken oder Dammtafeln mit den Dichtungen an den eingebauten Wand- und Bodenanschlüssen mithilfe von Verschraubungen angebracht. In der Regel werden die Dammbalken vom Hersteller in Standardmaßen angeboten, es können jedoch auch auf das jeweilige Gebäude angepasste Elemente hergestellt werden. Ebenso wie bei den vor Ort eingebauten Systemen muss der Hersteller Informationen zur Belastbarkeit der Dammbalken mitliefern. Nach dem Einsatz empfiehlt es sich die Dichtungen zu kontrollieren, zu reinigen und gegebenenfalls zu ersetzen.

Vor allem temporäre Maßnahmen zum Objektschutz und zum Verschluss von Eindringwegen sind im privaten Einsatzfeld nur bedingt geeignet. Hier ist zu bedenken, dass für Lagerung, Unterhalt und Aufbau geeignete Maßnahmen zu treffen sind, die auch nach einem Eigentümerwechsel noch funktionieren müssen (Weitergabe der Informationen!). Zu berücksichtigen ist in jedem Fall die Notwendigkeit, rechtzeitig über ein Hochwasser informiert zu sein. Ohne eine ausreichende Hochwasservorhersage ist ein rechtzeitiger Aufbau nur schwer zu realisieren.

Die Strategie Widerstehen ist grundsätzlich nur bis zu einer definierten Bemessungsgrenze umsetzbar. Wird diese Bemessungsgrenze – z.B. ein festgelegter Wasserstand – überschritten, kann es zum Eindringen von Wasser in das Gebäude kommen. Für diesen Fall muss die Strategie Widerstehen durch geeignete Maßnahmen der Strategie Anpassen ergänzt werden.

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