Rheinland-Pfalz erweitert seine Modellgrundlagen für Wassergefahren
Das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität Rheinland-Pfalz (MKUEM) und das Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz (LfU) sind gemeinsam mit VRVis GmbH 2021 in ein angewandtes Forschungs- und Entwicklungsprojekt gestartet. In dem Projekt kommt die hydrodynamische Modellierungs- und Visualisierungssoftware scenarify für das gesamte Bundesland Rheinland-Pfalz zum Einsatz. VRVis hat hierbei zunächst ein hochaufgelöstes Basismodell zur Berechnung von Sturzfluten erstellt. Darauf wurden u.a. flächendeckend regional differenzierte Starkregenszenarien berechnet und öffentlich bereitgestellt. Im nächsten Schritt wird derzeit auch ein hochaufgelöstes Basismodell zur Berechnung von Flusshochwasser erarbeitet, mit dem sämtliche Hochwassergefahrenkarten und alle weiteren Fließgewässer ab einer bestimmten Größe für Rheinland-Pfalz neu bzw. erstmals berechnet werden. Hierzu sind unter anderem auch umfängliche Vermessungsarbeiten der Gewässer notwendig, die seit 2023 schrittweise erfolgen und noch einige Zeit in Anspruch nehmen werden.
Die Simulationssoftware scenarify kann Flusshochwasser- und Starkregenereignisse in bislang nie dagewesener Geschwindigkeit simulieren. scenarify bietet hierbei im Gegensatz zu bisher verwendeten Modellen die Möglichkeit Simulation, Analyse und Visualisierung zu kombinieren. Dadurch ist scenarify ein innovatives wie nutzerfreundliches System, das die Modellierung von Überflutungen durch Hochwasser und Starkregen ebenso unterstützt wie Entscheidungsfindung im Akutfall. Auch sekundenschnelle Simulation und Analyse verschiedener Szenarien und Planungen sind möglich. scenarify ist aus langjähriger angewandter Forschung in Kollaboration mit dem ausgewiesenen Hydrologie-Experten Günter Blöschl von der TU Wien, der RWTH Aachen und den Stadtentwässerungsbetrieben Köln entstanden.
Im Zuge des angewandten Forschungs- und Entwicklungsprojekts werden wichtige Grundsatzfragen für die Entwicklung des Systems abgestimmt:
- Welche hydrologischen Komponenten sind für das neue Modellsystem in Rheinland-Pfalz besonders wichtig?
- Wie können bestehende und zukünftige Basisdaten möglichst effizient integriert werden?
- Wie können die Simulationssoftware scenarify und die interaktiven Basismodelle für Mitarbeitende der Wasserwirtschaftsverwaltung und Dritte am besten bereitgestellt werden?
- Wie kann eine Entwicklung eines Prototyps für Hochwasserprognosen ausgestaltet werden?
Denn das Ziel des Projekts geht über „fertige“ Basismodelle für die Hochwasser- und Sturzflutvorsorge hinaus, da es durch die Anwendung der verschiedenen Nutzergruppen "weiterwachsen" und optimiert werden soll. Über die Zeit entsteht so ein interaktiver „Digitaler Zwilling“ des Landes für die Hochwasser- und Starkregenvorsorge: der HydroZwilling Rheinland-Pfalz. So können die Daten in Zukunft aktuell gehalten und die bestmöglichen Informationen für Betroffene und Verwaltungen bereitgestellt werden.
Aktueller Stand des Projekts und Zeitplan:
Das Modell wird auf einem eigenen Server des Landes aufgebaut, um schlussendlich auch selbstständiges interaktives Arbeiten mit dem Modell zu ermöglichen. Ziel ist u.a., dass neue Szenarien für einzelne Einzugsgebiete erstellt werden können, indem die Anwender*innen das jeweilige Untersuchungsgebiet in die Visualisierung einzeichnen. Die Möglichkeit der Interaktion und aktiven Beteiligung soll es möglich machen, den einzelnen Akteur*innen mit unterschiedlichstem Kenntnisstand – von den Kommunen und den wasserwirtschaftlichen Ingenieurbüros über die Wasserwirtschaftsverwaltung bis zur breiten Öffentlichkeit – die Herausforderungen und kritischen Punkte in den Bereichen Klimawandelanpassung sowie Hochwasser- und Starkregenvorsorge eindrücklich und leicht verständlich zu vermitteln.
Kommunen und deren beauftragte Ingenieurbüros werden zu diesem Zweck Zugang zum Modell erhalten, um eigene Berechnungen im Rahmen ihrer Planungen durchführen zu können. Hierbei können sie auch eigene, detaillierte und aktualisierte Informationen (z.B. zum Terrain oder zu Bauwerken) integrieren und verwenden. Geeignete Daten dieser Art werden dann wiederum vom Land in die Basismodelle für die Sturzflut- bzw. Flusshochwassermodellierung übernommen. Für die breite Öffentlichkeit wird eine Plattform geschaffen, auf der Wasserstände an Gebäuden sehr anschaulich in 3D visualisiert werden.
In einer Pilotphase mit zwei Kommunen und beteiligten Ingenieurbüros in der ersten Jahreshälfte 2025 wurden beispielhafte Anwendungsfälle untersucht sowie Prozeduren und Arbeitsabläufe getestet. Parallel wurden und werden weitere wichtige Systemkomponenten entwickelt. Als nächste Schritte sind die Freigabe des Modellsystems für die Kommunen (geplant noch vor Ende 2025, zunächst mit dem Basismodell für die Sturzflutmodellierung) sowie die Veröffentlichung der Visualisierungsplattform für die Bürgerinnen und Bürger (geplant für das 1. Quartal 2026) vorgesehen.
Über die aktuellen Entwicklungen in Rheinland-Pfalz werden wir an dieser Stelle informieren.
Weitere Informationen finden Sie hier:
https://www.vrvis.at/produkte-loesungen/produkte-lizenzen/scenarify
https://www.vrvis.at/forschung/forschungsprojekte/fruehere-projekte/sccenarify-berechnet-starkregenszenarien-fuer-rheinland-pfalz